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Sonderrecht für Einsatzfahrzeuge: Was dürfen Polizei und Rettungswagen?

Um schnellstmöglich an den Unfallort zu gelangen, rücken Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr sowie Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn aus und drücken aufs Gas. Aber wie sind solche Einsatzfahrten verkehrsrechtlich geregelt? Dürfen Polizei oder Notarztwagen zum Beispiel einfach eine rote Ampel passieren? Die Gesetzeslage und Verhaltensvorschriften für Verkehrsteilnehmer bei Einsatzfahrten im Überblick.

Gesetzeslage bei Blaulichtfahrten

In der Straßenverkehrsordnung (§ 35 StVO) gelten unter bestimmten Bedingungen Sonderrechte für

  • Polizei
  • Bundeswehr
  • Feuerwehr
  • Katastrophenschutz
  • Zoll
  • Rettungsdienste

In folgenden Fällen dürfen sich Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Co. über sämtliche Verkehrsregeln hinwegsetzen:

  • wenn ein Menschenleben gerettet werden kann
  • wenn schwere gesundheitliche Schäden abgewendet werden können
  • wenn es zum Schutze der Allgemeinheit dient

Wichtig: Bei solchen Einsatzfahrten, zum Beispiel um Leben zu retten, muss jedoch die öffentliche Sicherheit beachtet werden. Überfährt ein Rettungswagen eine rote Ampel im völligen Blindflug und gefährdet damit andere Verkehrsteilnehmer, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Sonderrecht. Die Folge können Bußgeld und Fahrverbot bis hin zu Führerscheinentzug sein.

Bei einem Rettungseinsatz überholte ein Notarzt bei hoher Geschwindigkeit ein Fahrzeug und zwang den Gegenverkehr zum Ausweichen aufs Bankett. Infolgedessen wurde der Arzt zu 4500 Euro Strafe und Führerscheinentzug verurteilt. Sein Verhalten wurde als Gefährdung des Straßenverkehrs und damit als Straftat gewertet. Denn auch bei Inanspruchnahme von § 35 StVO gilt immer der Paragraph 1 der StVO: die gegenseitige Rücksichtnahme.

Video: Was bedeuten Blaulicht und Martinshorn wirklich?

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Blaulicht und Martinshorn um Sonderrecht anzuzeigen

Um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen und eine Behinderung zu vermeiden, setzten die Einsatzfahrzeuge Blaulicht und Martinshorn ein. Damit wird angezeigt, dass das betreffende Fahrzeug von den Sonderrechten Gebrauch macht und nicht alle Verkehrsregeln beachtet.

Der Einsatz von Blaulicht und Martinshorn muss jedoch verhältnismäßig sein, also nur in den genannten Fällen (Leben retten, Gefahren abwenden, Allgemeinwohl).

Achtung, Platz machen – das Wegerecht für Einsatzfahrzeuge

Bei Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht und Sirene heißt es für alle anderen Verkehrsteilnehmer: Platz machen (Rettungsgasse bilden bzw. rechts ranfahren). Diese Vorschrift ist nachzulesen in § 38 StVO.

Blaulicht allein darf nur eingesetzt werden, um an Unfall- und Einsatzstellen zu warnen und um Fahrzeuge oder Personengruppen (zum Beispiel Demonstrationen zu begleiten).

Nicht bei jeder Rettungsfahrt sind Blaulicht und Martinshorn erforderlich. Über den Einsatz entscheidet die Rettungsleitstelle. Handelt es sich um keinen dringlichen Notfall, reicht das Blaulicht. Blaues Blinklicht allein gewährt jedoch kein Sonderrecht. Es dient nur der Mahnung zu erhöhter Vorsicht und der Fahrer des Einsatzfahrzeugs muss sich an die StVO halten.

Das Wegerecht ist fahrzeugbezogen. Jeder, der sich mit einem entsprechenden Fahrzeug im Einsatz befindet, kann das Wegerecht in Anspruch nehmen.

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Strafen für Missachtung des Sonderrechts bzw. Wegerechts

Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn genießen zwar Sonderrecht und können die Verkehrsregeln missachten. Bei unverhältnismäßiger Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer drohen aber auch Polizei und Rettungskräften Bußgeld, Fahrverbot, Führerscheinentzug bis hin Geld- oder Freiheitsstrafen.

Kommt es zur Gefährdung oder einem Unfall mit einem Einsatzfahrzeug, muss der Fahrer des Einsatzfahrzeugs nachweisen, dass er mit Blaulicht und Sirene gefahren ist. Dann wird die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Blaulicht und Sirene geprüft sowie die Fahrweise. Das Strafmaß hängt vom individuellen Fall ab. Regelmäßig verhängen Gerichte in solchen Fällen zumindest eine Teilschuld.

Verkehrsteilnehmern drohen bei Missachtung des Wegerechts für Einsatzfahrzeuge empfindliche Strafen. Immer wieder passiert es, dass Autofahrer das Einsatzfahrzeug zu spät bemerken und / oder keinen Platz machen.

Wegen der zunehmenden Behinderung von Rettungsfahrzeugen auf Autobahnen wurde das Bußgeld bei Nichtbilden einer Rettungsgasse jüngst deutlich erhöht: von 20 Euro auf mindestens 200 Euro.

Bußgeld für Behinderung von Einsatzfahrzeugen

Bei Blaulicht und Martinshorn müssen Autofahrer sofort Platz machen. Die folgende Bußgeldtabelle zeigt die Strafen bei Missachtung von Einsatzfahrzeugen.

Verstoß Bußgeld Punkte Fahrverbot
Nichtbilden eine Rettungsgasse bei Stau oder stockendem Verkehr auf der Autobahn oder eine Außerortsstraße. 200 EUR 2
… mit Behinderung 240 EUR 2 1 Monat
… mit Gefährdung 280 EUR 2 1 Monat
… mit Sachbeschädigung 320 EUR 2 1 Monat
Nicht sofort freie Bahn geschaffen für Einsatzfahrzeug mit blauem Blinklicht und Martinshorn 240 EUR 2 1 Monat
… mit Gefährdung 280 EUR 2 1 Monat
… mit Sachbeschädigung 320 EUR 2 1 Monat

Häufig passiert es, dass Autofahrer oder auch Radfahrer Kopfhörer tragen. Das ist grundsätzlich erlaubt. Allerdings darf die Musik nur so laut sein, dass Umgebungsgeräusche noch problemlos wahrgenommen werden können. Wer beispielsweise einen Rettungswagen wegen zu lauter Musik nicht wahrnimmt und nicht rechtzeitig Platz macht, muss ebenfalls mit einem Bußgeld von 200 Euro und 2 Punkten in Flensburg rechnen.

Nicht erlaubt ist, sich an ein Einsatzfahrzeug hinten „dranzuhängen“ und die Rettungsgasse für sich selbst auszunutzen. Da weitere Rettungsfahrzeuge folgen könnten, wird dies ebenfalls als Behinderung gewertet und mit den entsprechenden Bußgeldern und Fahrverbot geahndet.

Regelmäßiges Training für Einsatzfahrer

Eine Rettungsfahrt ist eine besondere Situation. Fahrer von Einsatzfahrzeugen müssen diese Situation an einem Simulator regelmäßig trainieren. Denn die Missachtung der mühsam in der Fahrschule gelernten Straßenverkehrsregeln ist gar nicht so leicht. Außerdem ist die Unfallgefahr extrem hoch und die Fahrer müssen für eine solche Stresssituation gewappnet sein.

Weitere Fragen & Antworten

Ein Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn genießt Sonderrecht nach §35 StVO. Er hat generelle Vorfahrt und kann die Verkehrsregeln missachten, also zum Beispiel bei Rot über die Ampel fahren. Allerdings gilt auch hier § 1 StVO also die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Eine unnötige Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer muss vermieden werden.

Rettungsfahrzeuge im Einsatz mit blauem Blinklicht und Martinshorn sind von der StVO ausgenommen. Es gibt also auch kein Tempolimit. Allerdings müssen die Rettungskräfte darauf achten, dass bei der Einsatzfahrt keine anderen Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen. Mit Tempo 100 durch die Innenstadt ist nur gerechtfertigt, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer absolut ausgeschlossen werden kann. Die Vorsicht des Sonderrechtsfahrers muss umso größer sein, je weiter er sich über die sonst geltenden Verkehrsvorschriften hinwegsetzt.

Eine Polizei-Einsatzfahrt ist kein Freifahrtschein. Schon gar nicht, wenn nur Blaulicht eingesetzt wird. Hier gilt kein Sonderrecht für den Polizeiwagen. Der Fahrer muss sich an die StVO halten.

Ist das Polizeiauto zusätzlich mit Sirene unterwegs, genießt es Sonderrecht und alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen Platz machen. Die Polizei darf aber nur so schnell fahren, wie es die Dringlichkeit erfordert. Kommt es zum Unfall mit einem Zivilfahrzeug, kann der fahrende Polizist eine Teilschuld erhalten, wenn die Geschwindigkeit unangemessen hoch war.

Ein Einsatzfahrzeug muss freie Bahn haben. Es muss jederzeit die Spur wechseln können. Ein Überholen ist nur erlaubt, wenn dies gewährleistet ist. Der Überholvorgang ist mi der gebotenen Sorgfalt durchzuführen. Kommt es zum Unfall weisen die Gerichte oftmals dem normalen Fahrer eine Teilschuld von 90 Prozent zu.

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